Luisenstraße 3
Wie schnell der Ortsetter unserer Stadt seit Anfang des vorigen Jahrhunderts gewachsen ist, wird an diesem Grundstück exemplarisch deutlich. Die Gemeinde Hockenheim verkaufte mit Vertrag vom 27.12.1905 gleich 8 Bauplätze an 5 Erwerber. Fünf dieser Anwesen lagen nebeneinander an der Kirchenstraße (heute Nr. 2 bis7), zwei schlossen sich in der Luisenstraße an (heute Nr. 3 u. 5). Käufer von gleich drei Anwesen, darunter auch das hier zu beschreibende, waren die Eheleute Konrad Eichhorn III., Maurermeister und Magdalena geb. Schmetzer. Der Kaufpreis für diese drei Bauplätze betrug insgesamt 2.390 Mark. Um eine rasche Bebauung zu gewährleisten, waren Vorratsbebauungen (Bauträgerschaft) von der Gemeinde offensichtlich gewollt, denn auch als Käufer von drei weiteren Plätzen traten in Person eines Maurermeisters sowie eines Bauunternehmers Männer aus der Baubranche auf.
Wohl um dem Sohn und künftigen Firmenchef einen privaten Sonderertrag zu ermöglichen, verkauften knapp ein Jahr später die Eltern eines dieser Grundstücke, (Lgb. Nr. 3261 i ; heute 3261/9), an Jakob Eichhorn IX., Maurer und dessen Ehefrau Maria geb. Dörfer zum Preis von 820 Mark. Das geplante Haus wurde rasch hochgezogen, kurz vor Weihnachten 1906 für 6.400 Mark verkauft und im Frühjahr 1907 von den Erwerbern Franz Offenloch, Zigarrenmacher (später Feldhüter) und Anna geb. Wahl bezogen. Die Baupläne aus jener Zeit sind leider nicht mehr vorhanden, sie dürften aber weitgehend denen entsprochen haben, welche in einem Grundbuchauszug aus dem Jahr 1932 wie folgt beschrieben werden: „einstöckiges Wohnhaus mit 2/3 Schienenkeller, Durchfahrt, Kniestock, Abtrittanbau und Kellereingangsüberbau sowie ein einstöckiger Schopf mit Schweinestall". Die Hofreite umfasste 193 qm, der Hausgarten 142 qm.
Das Anwesen wurde am 29.10.1937 für 8.000 Reichsmark weiter verkauft an Karl Hofmann, Polizeimeister und seine Ehefrau Elise geb. Dörr und ging im September 1950 per Erbfolge über an Gertrud, Ehefrau des Kraftfahrers Wilhelm Weber, wobei der Wert auf 8.500 DM geschätzt wurde. Die nächsten Eigentümer wurden am 24.03.1972 Werner Roos, Architekt, und seine Ehefrau Anna geb. Lenz aus Mannheim. Seit 1999 befindet das Anwesen im Eigentum der Familie Ripoll-Schmitz.
Unterlagen über größere Um- und Ausbauten im Wohnanwesen in den Jahren 1934 (Bau eines Kleintierstalls, Gasleitung, neue Hausstaffel), 1939 (Küchenumbau), 1974 (Kraftstromleitung, elektr. Klingel, neue Gasheizung) und 1975 (Elektroherd) konnten eingesehen werden.
Während also im Laufe der Jahrzehnte im Innern des Hauses und an der Hofseite immer wieder Umbauten stattfanden, blieb das „Gesicht" zur Straßenseite hin völlig unverändert und zeigt noch heute, mit wieviel Geschmack und Sinn für Proportionen seinerzeit gebaut wurde. Deutliche Jugendstil-Anklänge sind insbesondere am Abschluss des Mittelteils sowie den beiden Dachgauben erkennbar. Auch die gelungene Verbindung einer modernen, hellen Farbgebung mit der alten Bauweise fallen angenehm auf. Das östlich angrenzende Haus hatte ursprünglich eine weitgehend identische Fassade, sodass sie zusammen ein auffällig schönes Ensemble bildeten.
Bei der hiesigen Bevölkerung war die Luisenstr. 3 besonders bekannt, als von 1939 bis etwa 1964 bis zu drei Diakonissen im Erdgeschoss wohnten und von dort aus ihrem Dienst am Nächsten nachgingen. So mancher ältere Hockenheimer denkt heute noch an seine Lausbubenzeit und die von den Schwestern verarzteten „Pletze" , wenn er an dort vorbei kommt.
Verfasser Horst Eichhorn, unterstützt von Frau Ripoll-Schmitz und deren Nachbarn, den Eheleuten Eisinger