Untere Hauptstraße 3

Der Kaufmann Maier Adelsberger hat am 11. Juni 1896 für sich und seine Familie das nahe der „Fortuna-Kreuzung“ , also im Zentrum von Hockenheim gelegene Anwesen (Lgb.Nr. 227), bebaut mit einem schönen Haus für 24.000 Mark gekauft. Die ebenfalls sehr gediegenen  Nachbarobjekte gehörten seinerzeit Samuel Hirsch Lußheimer und Carl Piazolo.

Neben dem zweistöckige Wohnhaus mit überbauter Einfahrt, großem Holztor und Schienenkeller standen auf dem Areal ein zweieinhalbstöckiges Magazin mit Balkenkelle, eine daran angebaute Hopfenschwefeldarre sowie ein Stall mitsamt Mehlkammer. Mit erforderlicher Umbauplanung und entsprechenden Arbeiten wurde der Bauunternehmer Abraham Gund III. beauftragt.

In das hier beschriebene Objekt zog Maier Adelsberger mit Ehefrau Charlotte geb. Neu, der Tochter Frieda und den Söhnen Wilhelm und Moritz ein. Dem Hausherrn wurde die Genehmigung für ein „Viehhandel-, Hopfen- und Tabakcomissionsgeschäft“ erteilt. Die jetzt Räumlichkeiten boten ideale Voraussetzungen, das Unternehmen weiter auszubauen. Erstarb kurz vor der Reichskristall-Nacht (auch als „Pogromnacht“ bekannt) im Jahr 1938 und wurde im Beisein eines Rabbi als bis Kriegsende Letzter auf dem hiesigen Judenfriedhof beigesetzt.

Auf diese Weise musste er nicht miterleben, wie in der Pogromnacht (9. auf 10.11.1938) vom Nazi-Pöbel die Fensterscheiben seines Hauses zertrümmert und das Mobiliar aus dem Haus geworfen wurde. Seine Witwe und die Kinder wurden geschlagen und  mit dem Tode bedroht. Sie wussten sich nicht anders zu helfen, als auch in vielen folgenden Nächten nachts immer wieder ins Magazin auszuweichen. Als die Bedrohungen immer schlimmer wurden, war die Witwe gezwungen, das Anwesen weit unter Preis zu verkaufen.  Sie zog mit Tochter Frieda und Sohn Wilhelm zu ihrem Sohn Moritz nach Mannheim, C 7, 9. Dort wurden alle drei am 22. Oktober 1940 von der Gestapo verhaftet und in das berüchtigte Lager Gurs/französische Pyrenäen deportiert. Die körperlich und seelisch geschwächte alte Frau verstarb bald an Typhus.Die Kinder wurden 1942 nach Auschwitz geschafft und dort sofort nach ihrer Ankunft vergast.

Der älteste Sohn, Moritz Adelsberger überlebte das KZ Theresienstadt, kehrte nach Rückübertragung der Eigentumsrechte am hier beschriebenen Anwesen mit seiner Familie nach Hockenheim zurück und baute einen Süßwaren-Großhandel auf. Das Hopfen- und Tabakmagazin musste wegen Baufälligkeit leider bald abgerissen werden. Nur der Schornstein der Hopfendarre blieb noch einige Jahre stehen und wurde von Störchen als idealer Nistplatz genutzt  Als das alte Bauwerk schließlich abgebrochen werden musste, wurde auf Initiative des örtlichen NABU ein großes Wagenrad auf dem Hauptgebäude angebracht und bald wieder von Störchen besiedelt. Auf diese Weise ist sicher gestellt, dass viele Hockenheimer Kinder auch künftig wissen, woher die Säuglinge kommen: der Klapperstorch bringt sie....
Die jetzigen Eigentümer des Anwesens sind Renate Jung und ihr Bruder Kurt Adelsberger, die Kinder von Moritz und  Anna Adelsberger. Derzeit wird das Wohnhaus umfassend auf restauriert und erhält eine neue Fassade in neoklassizistischem Stil. Nach Beendigung der Arbeiten wird es in Hockenheim wieder ein bauliches Schmuckstück in der Stadtmitte geben, in dem örtliche Geschichte geschrieben wurde. Der Familie Adelsberger, Besitzer des Anwesens seit 120 Jahren, sei Dank!
An die beschämenden Vorgänge zwischen 1938 und 1945 erinnern Stolpersteine, die im Jahr 2013 vor dem Haus verlegt wurden.

Verfasser: Klaus Brandenburger und Horst Eichhorn

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