Obere Mühlstraße 5

Die Obere Mühle, erstmals dokumentiert im Jahr 1387, gehörte ursprünglich zum Oberen Freihof und war wohl die zweitälteste der drei früher in Hockenheim vorhandenen Mühlen. Weil der Untere Freihof nachweislich älter war, kann davon ausgegangen werden, dass dies auch auf die zugehörige Untere Mühle zutrifft., zumal für diese ein Dokument aus dem Jahr 1369 vorhanden ist. Beide Gesamtanlagen waren anfangs herrschaftlicher Besitz und wurden in Erbpacht vergeben.
Die Bezeichnung „Obere Mühle“ ging später auf die neue „Mittlere Mühle“ über, welche auf dem gegenüber liegenden, westlichen Ufer des Mühlkanals gebaut worden war.

Es ist wahrscheinlich, dass im Laufe der Jahrhunderte, bedingt durch Schicksalsschläge wie  Hochwasser und Brände immer wieder mehr oder weniger umfangreiche Investitionen erforderlich waren. Gesichert ist allerdings das Niederbrennen aller drei Mühlen bis auf die Grundmauern im Jahr 1644, also im 30-jährigen Krieg. Erst nach Jahren wieder in Gang gekommen, traf Hockenheim und seine Mühlen das gleiche Schicksal erneut im Jahr 1674 während des Pfälzischen Erbfolgekriegs.

Im Jahr 1698 übernahm ein Johannes Schrank aus Schriesheim mit Unterstützung der kurpfälzischen Verwaltung (300 Baustämme) die Untere Mühle und baute sie wieder auf. Nachfahren von ihm taten es ihm Jahrzehnte später gleich und übernahmen auch die Obere Mühle, wie aus einer Urkunde geschlossen werden kann. Es handelt sich dabei um einen Auszug aus dem Wasserrechtsbuch des Bezirksamtes Schwetzingen, wo dokumentiert wird, dass dem seinerzeitigen Eigentümer und Betreiber der Oberen Mühle, Friedrich Schrank, im Jahr 1845 die Neufestlegung der Stauhöhe im Wasserkanal genehmigt wurde, 1847 dann die Einrichtung eines dritten Mahlgangs und 1854 der Betrieb einer zusätzlichen Hanfreibmühle. Zu Lebzeiten dieses Müllermeisters wurde eine Linde gepflanzt, die heute noch im Garten des beschriebenen Objekts  und unter Naturschutz steht.

Letzter Großinvestor der jetzt vereinigten Oberen und Mittleren Mühle war der Müllermeister Ludwig Zahn, unter dessen Regie Anfang der 1890er Jahre die gesamte Anlage neu erbaut wurde. Neben dem mehrstöckigen Mühlengebäude gehörten dazu diverse Lagergebäude, Stallungen und Remisen. Auf den Einbau modernster Mühlentechnik wurde dabei besonders viel Wert gelegt. Repräsentation galt seinerzeit als nachhaltige Werbung und dementsprechend fiel die Gestaltung des  hier speziell beschriebene Hauses aus. Erbaut wurde es im damals aktuellen Baustil des Historismus und enthielt auf zwei Geschossen Wohnungen, die nicht nur vom Wohnraum, sondern auch von der Höhe (3,45 Meter !) und von den Heizkosten her ungewöhnlich waren. Gleiches trifft auf schöne Stuck-Ornamente zu, welche alle Zimmerdecken umrahmten. Auch das Büro der Mühle war im Erdgeschoss untergebracht. Erst rund 70  Jahre später wurde auch das 2. Obergeschoss als Wohnraum genutzt.

Der Neubau entstand auf dem Platz, wo vorher schon ein bescheideneres Wohnhaus  gestanden hatte. Auch der direkt östlich neben dem Neubau gelegene Mühlengraben wurde seinerzeit erneuert. Insgesamt dürfte es sich um eine der aufwendigsten gewerblichen Investition des Jahrzehnts in Hockenheim gehandelt haben. Das Anwesen erstreckte sich vom östlichen Ufer des Mühlkanals bis zum Kraichbach und war mit mehr als 83 ar der seinerzeit der größte private Grundbesitz im Ort.
Schon um im immer stärker werdenden Wettbewerb bestehen zu können, legten auch spätere Eigentümer Wert darauf, die Mühle auf modernem technischen Stand zu halten. Besonders erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang der Einbau einer mit Strom betriebenen Turbine im Jahr 1922, die an die Stelle eines Wasserrads trat, welches 5 Meter Durchmesser und eine Breite von 1,30 Meter hatte.

Von der Gesamtanlage steht heute nur noch das beschriebene Gebäude. Der schon Jahre vorher immer mehr zurückgefahrene Mühlenbetrieb musste im Jahr 1962 ganz eingestellt werden, weil konkurrierende Großmühlen eine rentable Produktion nicht mehr ermöglichten. Da die Sicherung der leer stehenden Gebäude immer aufwendiger wurde, entschloss sich Otto Seitz im Jahr 1965, den weit überwiegende Teile des ursprünglichen Mühlengeländes an mehrere Interessenten zu verkaufen. Um einen kleinen Platz gruppiert, ließen diese anschließend ein großes Mietwohngebäude, vier Einfamilienhäuser samt Garagen und eine Kirche der neuapostolischen Gemeinde erstellen. Nach dem Umzug in eine größere neue Kirche wurde Letztere vor wenigen Jahren in ein besonders schönes Einfamilienhaus umgewandelt.Von der eigentlichen Mühlenanlage sind entlang des alten Mühlenkanals nur noch Reste des Turbinenhauses und die zugehörige Steinbrücke zu sehen.

Die tragenden Grundmauern des hier beschriebenen Objekts bestehen aus Sandstein-Quadern. Die Keller-Innenmauern ebenso wie sämtliche Obergeschosse sind aus Backsteinen gemauert. In die Außenfassade wurden Bauteile aus hellem Sandstein gehängt , um dem typischen Historismus-Stil zu entsprechen.

Als wesentliche baulichen Änderungen am Gebäude sind zu erwähnen:
im Jahr 1959 : der Austausch der Dachgauben im 2. Obergeschoss durch Flächenfenster sowie der  Einbau einer Dusche
im Jahr 1975 : das Abhängen von fünf Zimmerdecken im Erdgeschoss sowie einer im Obergeschoss auf „nur noch“ 2,90 Meter im Jahr 1975. Seither haben nur noch zwei Stuck-verzierte Decken im Erdgeschoß die ursprüngliche Höhe von 3,45 Meter.
Dem Bauherrn Ludwig Zahn folgten als Eigentümer Bernhard Seitz (1921), dann dessen Sohn Otto Seitz (1952), danach dessen Witwe Margarete Seitz geb. Hassler (1975), gefolgt von deren Tochter Margot Bast (1984) und seit deren Tod im Jahre 2013 ihr Ehemann Wilhelm Bast.

Verfasser: Horst Eichhorn mit freundlicher Unterstützung durch den Eigentümer.

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